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Motion Graphics: Art und Design, Teil 2

Die Definition von Motion Graphics ist eigentlich simpel. Motion Graphics setzen graphische Elemente jeder Art in Bewegung, ob Schriftzeichen, einfache geometrische Formen, Illustrationen, Photographien, Videoelemente oder sogar komplette 3D-Welten. Dabei mischen sich oft Video, Film, Animation, Photographie, Illustration und Musik, sodass es oft schwerfällt, Motion Graphics von anderen Design- und Artformen abzugrenzen. Das macht jedoch gerade den Reiz aus, denn ein visuell ansprechendes Gestalten, welches aus vielen Töpfen schöpft, führt natürlich auch zu entsprechend spannenden Ergebnissen.

Denken wir an die Geschichte, dann gibt es Motion Graphics eigentlich seitdem es Bewegtbilder gibt, denn mit den ersten Filmen erschienen auch die ersten bewegten Schriftzeichen auf der Leinwand. Die technischen Grundlagen für die Animation geometrischer Formen haben visionäre Filmemacher wie Oskar Fischinger, Walter Ruttmannund Norman McLaren geschaffen und erforscht, ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Motion Graphics. Erste kommerzielle Erfolge in diesem Segment hatte dann John Witney. Witney gründete in den 50ern ‘Motion Graphics Inc.’, wo er die technischen Möglichkeiten bedeutend voranbrachte. Er produzierte hauptsächlich Film- und Fernsehtitel und begann in den 70er Jahren digitale Prozesse in den Produktionsprozess miteinzubeziehen, womit die modernen Motion Graphics geboren waren.

Jedoch wenn Motion Graphics unmittelbar aus experimentellen Techniken des Animationsfilms hervorgegangen sind und beide ähnliche Produktionstechniken verwenden, worin unterscheiden sie sich dann von Animationsfilmen? Eine eindeutige Grenzziehung ist schwierig, aber der Übergang von Motion Graphics zu Animationsfilmen wird üblicherweise damit in Verbindung gebracht, dass Figuren sich als Persönlichkeiten ausdrücken. Wie schwierig es jedoch ist, diese Grenze zu ziehen, veranschaulicht der Film von Motion Graphics Künstler Cento Lodigiani “The Illusion of Life”.

Seit den 50ern sind Motion Graphics in jedem Fall fest mit der Art der Filmtitelgestaltung verbunden. Insbesondere die Arbeiten von Saul Brass, Maurice Binder und Pablo Ferro sind in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Ihre Arbeit verschaffte der Kunst der Filmtitelgestaltung einen regelrechten Boom in den 50ern. Denken wir an die Titelsequenzen von Filmklassikern wie Hitchcocks “Vertigo”und “Psycho”von Brass, oder die Titelsequenzen der James Bond Filme aus dieser Zeit, die Binder kreiert hat, dann bekommt man schnell eine Idee von dem Charakter dieser frühen Beispiele. Bald begannen auch Fernsehsender ihre Logos und Titel zu animieren.

Mit den technischen Möglichkeiten der digitalen Revolution explodierten dann die Anwendungsbereiche der Motion Graphics und nahmen die Form an, die wir heute kennen. Adobe After Effects und Co.machen in den letzten 15 Jahren Dinge möglich, von denen man zuvor kaum zu träumen wagte. Vorreiter war die Firma CoSA mit ihrer Effekt- und Compositingsoftware After Effects (Demo Video). Ab 1993 konnten Designer damit Videomaterial auf einem Mac kreieren und/oder manipulieren . Dieses freie Arbeiten mit visuellen Materialen war bis dahin Videoeffektmischern und Black Box Anbietern vorbehalten. Der führende Hersteller dieser teilweise kühlschrankgroßen Kisten, vollgestopft mit Elektronik, war damals die Firma Quantel. Sie beherrschte den Markt für Grafikproduktionen insbesondere im Bereich des TV News Brandings. Quantel Paintbox hieß die Computer Workstation für Grafiken und kam 1981 auf den Markt.

Jedoch mit dem Aufkommen immer schnellerer Desktop Rechner und Beschleunigungskarten für Renderer wurden die Blackbox Lösungen bald überflüssig. Der immense Preisvorteil eines handelsüblichen Rechners mit Software gegenüber einer Blackbox Lösung war ein unschlagbares Argument. 1994 wurde dann After Effects von Adobe übernommen. Motion Graphics waren nun keine sündhaft teure Angelegenheiten mehr. Designer und Filmemacher hatten endlich die richtigen Tools, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. All diese Entwicklungen waren ein integraler Teil in der visuell-technischen Revolution, die man allgemein als Iconic Turn bezeichnet, d.h. die Verlagerung von einer sprachlichen zu einer visuellen Informationskultur in Alltag und Wissenschaft.

Schaut man darauf, was heute so möglich ist in der Filmtitelgestaltung, dann setzen die Titelsequenzen von Kyle Cooper Standards, wie etwa die Titel zu den Spiderman Filmen. Das Büro von Cooper gehört zu den gefragtesten Design Studios auf dem Feld. Ein weiterer Meilenstein war die von Kuntzel and Deygas im Retrolook produzierte Titelsequenz zu Steven Spielbergs “Catch me if you Can”, die im graphischen Style der 50er Jahre das Katz-und-Mausspiel der Hauptfiguren aus dem Film visuell perfekt auf den Punkt bringt. Eine Hommage an das Schaffen von Soul Brass, ist der graphische Style dieser Sequenz richtungsweisend für den ‘make it plane and simple’ Look, den Infographiken und Erklärfilme verfolgen: die Figuren und Szenerien setzen sich aus einfachen, flachen Formen zusammen, während die Richtungen und Dynamiken durch klare und starke Linien begleitet werden, die vertikal und horizontal über die Leinwand laufen. Dieser Mix aus ansprechenden Graphiken, klaren Formen, starken Linien, die das Auge durch die Inhalte und Bilder führen, sowie mitreißende Rhythmen, sind die wichtigsten Zutaten für eine jede Infographik oder einen Erklärfilm. Dazu mehr im nächsten Teil.

Autoren: Ercin Filizli und Mareike Sera