Das Sommerloch – viele kennen es. Nach wochenlangen Feedbackrunden für verschiedene Aufträge, 100% Auslastung – und darüber hinaus – plötzlich alles abgeschlossen ist, ist es plötzlich da. Diese Tage, an denen man Zeit hat Luft zu holen, bevor es an neue Aufträge geht.
Statt Däumchen zu drehen, nutzen viele Kollegen und ich die Zeit um sich kreativ auszuleben, Neues zu probieren und zu experimentieren… was bei VUCX u.a. auch mit der Bereitstellung von hochwertigem Equipment gefördert wird. In diesem Fall eine C300 nebst Zubehör.
Diesmal wollte ich ein kurzes Musikvideo filmen und in einem recht neuen Schnitt/Compositing Programm [Hitfilm] schneiden, um es auf Herz und Nieren zu testen. Damit nicht allzu viel Arbeit in den Dreh gesteckt werden musste, sollte es nur aus verschiedenen Stadtimpressionen bestehen, die ich mit meinem Smartphone und der Canon 60D in der Mittagspause sammelte. Durch Zufall fragte mich ein befreundeter Musiker, ob ich noch alte Videoschnipsel im Archiv habe, die er für ein Musikvideo für seine Band verwenden könnte. Perfekt! Aus dem Übungsprojekt wurde damit ein “Support Your Local Scene” – Projekt, bei dem die Band “Kater Pathos” unentgeltlich ein Musikvideo bekam und ich wiederum einen Song, den ich für mein Testprojekt verwenden durfte.
Nach kurzer Überlegung weitete ich das Konzept aus und entschloss mich zusammen mit meinem Kollegen Eugen Derzapf ein bisschen mehr Zeit zu investieren. Die Geschichte eines Jungen Mannes in seinem traurigen Büroalltag ist schnell erzählt und sollte im Kontrast zu der Textzeile “Heute ist ein guter Tag” stehen und die leichte Melancholie des Songs wiederspiegeln.
Um eine höhere Bildqualität zu erzielen verwendeten wir deshalb für die weiteren Szenen die Canon C300, die sich mal wieder als optimale Run&Gun Kamera erwies, um in kürzester Zeit und unter “Available Light” Situation ein gut aussehendes Video zu drehen.
Es wird in letzter Zeit viel über RAWs und ProRes 10bit Codecs diskutiert und JEDE Kamera, die in die 4K Sphären vorstößt, wird gelobt und gehyped. Teilweise zu Recht, aber sehr viele zu Unrecht. Die Canon C300 ist bekannt für ihre exzellenten Low Light Qualitäten und größtenteils wird auch nicht schlecht über sie gesprochen und rezensiert – bis es zur Preisfrage kommt.
In den letzten Jahren haben sich die Kamerahersteller – teilweise auch durch den Druck neuer Konkurrenz im Segment (z.B. Black Magic Design) – mit ihren Preisen gegenseitig immer weiter unterboten. Da viele nur auf die Datenblätter schauen, steht die Canon C300 mit ihren 11.000 € (Stand Aug. 2014) ihrer FULL HD Auflösung und dem 8bit Codec auf den ersten Blick ziemlich verloren da. Die Zahlen sind aber bei weitem nicht alles. Die meisten DSLRs die 4K versprechen (z.B. Panasonic GH4 oder Black Magic Cinema Camera 4K) und mit gerade einmal 1.500 – 3.000 € zu Buche schlagen, kann man aber ohne weiteres Equipment (wenn es halbwegs professionell sein soll auch teures) nicht nutzen. Das ist Fakt. Wer stressige und eng kalkulierte Drehs erlebt hat (was bei 90% der Kameraleute der Fall sein wird), wird die eingebauten ND Filter der C300 lieben, den zum Lieferumfang gehörenden Griff mit seinen verschiedenen Montagemöglichkeiten für den bereits mitgelieferten realtiv guten 4” Monitor (mit ca. 1.230.000 Bildpunkten) nicht vermissen wollen. Es sind Dinge wie die gut platzierten und haptisch hochwertigen Knöpfe an der Außenseite der Kamera, die robusten XLR Anschlüsse oder die extreme Akkulaufzeit, die einem den Produktionsalltag enorm erleichtern. Diese Dinge kann man teilweise für andere Kameras nachrüsten aber dann schießt der so günstige Anschaffungspreis dann doch wieder in Regionen, die dem Preis der C300 nahe kommen. Dennoch denke ich mittlerweile auch, dass eine Preisanpassung der Canon EOS Cinema Reihe nötig ist, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Ist denn der 50Mbps 4:2:2 8bit Codec ein Totschlag Argument? Meiner Meinung nach, nein. Die Kamera kam im Januar 2012 auf den Markt und war absolut State of the Art. Mit dem Canon Log Picture Style wird zudem ein sehr flaches Bild (flache Gammakurve) aufgenommen, aus dem sich noch sehr viel im ColorGrading herausholen lässt und sich wunderschöne Looks erzeugen lassen. Durch den Super35 Chip ist das Bild knackscharf. Das ändert sich auch ein paar Jahre später nicht. Natürlich ist die Dynamic Range nicht so hoch wie bei einer Black Magic Cinema Camera oder RED, die in RAW aufnehmen, aber muss es das jedes Mal sein? Es geht auch um Workflow und die Frage: “Was steht am Ende?” Ist das Video für: Youtube? Kino? Fernsehen? Imagefilm? Werbespot? Musikvideo? EB-Dreh? Was ist das Budget? Ein für Youtube produziertes Video in RAW mit 4K aufnehmen, steht für mich in keinem Verhältnis zu Datenvolumen und Zeitaufwand bzw. Hardwarehunger der Verarbeitung. Sogar für Werbespots im Fernsehen ist der Codec absolut ausreichend. (Siehe unsere Werbespot Kreation für www.billigermietwagen.de, gedreht mit der Canon C300). Desweiteren sollte ein guter Kameramann sich nicht darauf verlassen, dass ein über bzw. unterbelichtetes Bild in der Post Production noch zu retten ist, er sollte von Anfang an aufmerksam mit der Blende umgehen.
Das liest sich bis hier als wäre die Canon C300 die optimale Kamera und ich hätte überhaupt keine Kritikpunkte. Dem ist natürlich nicht so. Die Verbindungskabel zwischen Monitor und Body sind ein Graus und ich will mir nicht vorstellen, was passiert wenn einer der Kontakte sich verbiegt, …und die Framerate von maximal 30 Bilder/Sekunde bei 1080p oder 60 Bilder/Sekunde 720p ist auch nicht das Gelbe vom Ei für einer solch teure Kamera. Doch trotz dieser kleinen Kehrseiten bildet sie ein gutes Gesamtpaket, bei dem man sich mehr auf den Inhalt und die Gestaltung des Bildes konzentrieren kann, anstatt auf die Technik die dahinter steht, weil sie “Out of the bag” funktioniert. Es sind nicht immer die Zahlen auf den Datenblättern die gut aussehen müssen, sondern wie die Kamera sich im harten Produktionsalltag schlägt – und das hat sie in diesem kleinen Sommerloch wieder ausgezeichnet. Aber nicht nur im Sommerloch kam die C300 zum Einsatz. Sie absolvierte bereits auch (fast) eine Weltreise bei unserer Produktion “All about Lyoness” und erfüllte ihre Aufgaben tadellos.
Kamera, Schnitt & VFX: Tristan Pionke
Schauspieler & Color Grading: Eugen Derzapf